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Wasserhärte in Büdingen

Hintergrund und Ergebnisse der Machbarkeitsstudie des TZW

„Hartes Wasser“ ist ein sensibles und emotional diskutiertes Thema. In Büdingen und anderswo. Während manche hartes Wasser schätzen, weil es reich an natürlichen Mineralien ist, schimpfen andere auf Wasser mit einer hohen Wasserhärte. Schließlich ergeben sich daraus auch Nachteile in der häuslichen Anwendung. Doch was bedeutet eigentlich Wasserhärte und wie lässt sie sich gegebenenfalls zentral reduzieren?

Die Stadtwerke Büdingen haben hierzu eine Machbarkeitsstudie zur zentralen Enthärtung des Trinkwassers beim DVGW-Technologiezentrum Wasser (TZW Karlsruhe) in Auftrag gegeben. Ziel war es, für die individuelle Wasserversorgungssituation in Büdingen die Rahmenbedingungen, technischen Möglichkeiten sowie die Kosten zu ermitteln und zu bewerten. Die Studie soll als Grundlage für die weiteren Entscheidungen in den politischen Gremien dienen.

Am 21. September 2020 wurde die Studie den kommunalen Entscheidungsträgern (Stadtverordnete, Magistrat, Eigenbetriebskommission der Stadtwerke Büdingen) und interessierten Bürgern im Rahmen einer Informationsveranstaltung vorgestellt. Im Folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse dargestellt.

Wasserversorgungssituation Büdingen

  • Die Stadtwerke Büdingen versorgen die rd. 22.500 Einwohner der Stadt Büdingen und ihrer Stadtteile mit Trinkwasser.
  • Der Trinkwasserbedarf von rd. 1,1 Mio m³/Jahr wird ausschließlich über eigene Wasservorkommen gedeckt. Insgesamt stehen 10 Brunnen und eine Quelle zur Verfügung.
  • Die Gesamtförderung liegt bei rd. 1,25 Mio m³/Jahr.
  • Die Wasserhärte variiert je nach Gewinnungsgebiet und geologischen Bedingen. Richtung Vogelsberg (Basalt) weist das Wasser eine geringe Wasserhärte auf (3 - 9 °dH), im südlichen/westlichen Versorgungsbereich (Rotliegendes) eine hohe Wasserhärte (19 - 23 °dH).
  • Rd. 2/3 des geförderten Wassers sind dem Wasserhärtebereich „hart“ zuzuordnen. Bei den restlichen Fördermengen handelt es sich um „weiches“ bzw. „mittelhartes“ Wasser.
  • Diese verschiedenen Wässer sind nicht ohne weiteres miteinander mischbar, da es bei unkontrolliertem Mischen zu ungünstigen Veränderungen der Wasserchemie kommen würde.
  • Das Wasserversorgungsnetz der Stadtwerke ist daher in Versorgungszonen unterteilt. Die Trennung erfolgt teilweise inmitten eines Stadtteils (Büdingen Kernstadt, Büches und Düdelsheim). Andere Stadtteile werden dagegen komplett mit einer einheitlichen „Wasserqualität“ versorgt.

Wasserqualität

  • Das in den Gewinnungsanlagen geförderte Rohwasser zeichnet sich durch eine sehr gute Wasserbeschaffenheit aus und erfüllt die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere die der Trinkwasserverordnung (TrinkwV).
  • Eine aufwändige Aufbereitung findet nicht statt, so dass das Wasser nahezu unbehandelt als Trinkwasser ins Netz eingespeist werden kann. Es erfolgen lediglich eine vorsorgliche UV-Desinfektion sowie partiell eine Entsäuerung des Rohwassers.
  • Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage unter der Rubrik "Wasserqualität".

Wasserhärte

  • Unter Wasserhärte versteht man die Konzentration der im Wasser gelösten Erdalkalimetalle. Härtebildner sind vorwiegend die Mineralien Calcium und Magnesium.
  • Die Wasserhärte wird üblicherweise als Calciumcarbonat CaCO3 in Millimol je Liter angegeben. Gebräuchlicher ist jedoch auch heute noch die ältere Berzeichnung in Grad Deutsche Härte [°dH].
  • Gemäß Wasch- und Reinigungsmittelgesetz wird in drei Härtebereiche unterschieden:
    • weich < 8,4 °dH < 1,5 mmol CaCO3/l
    • mittel 8,4 - 14 °dH 1,5 - 2,5 mmol CaCO3/l
    • hart >14 °dH > 2,5 mmol CaCO3/l
  • Grundsätzlich hat der Parameter „Wasserhärte“ keine (nachteilige) gesundheitliche Relevanz, sondern rein technische und ästhetische Bedeutung.
  • Die Wasserhärte ist kein Qualitätskriterium nach Trinkwasserverordnung oder Technischem Regelwerk. Es gibt keine oberen und unteren Grenzwerte für diesen Parameter. Daher besteht für Wasserversorger zunächst keine Aufbereitungspflicht.
  • Für Kunden ist die Wasserhärte jedoch sehr wohl ein Qualitätskriterium, da sie in der häuslichen Anwendung einige Nachteile hat.
  • Hartes Wasser wird von einigen Kunden als qualitativ minderwertig angesehen. Der Härtegrad, ab welchem Wasser als „unzumutbar“ empfunden wird, ist sehr individuell.
  • In jedem Fall ist der Wunsch nach weichem Wasser völlig verständlich und legitim.
  • Sofern zentrale Maßnahmen zur Verringerung der Wasserhärte in Erwägung gezogen werden, sollte eine „Zielhärte“ von ca. 8 - 10 °dH angestrebt werden. Entsprechend sind die technischen Anlagen auszulegen.

Vorteile einer (zentralen) Wasserenthärtung

  • Weiches / enthärtetes Wasser weist einige Vorteile für den Kunden auf. Hierzu gehören u.a.
    • Reduzierung von Kalkrückständen und –ablagerungen an Armaturen, Warmwassergeräten, Leitungen etc., dadurch ggf. Verlängerung der Lebensdauer.
    • Reduzierung des Einsatzes von Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Regeneriersalzen. Dadurch mögliche Kosteneinsparungen für den Kunden und Reduzierung des Eintrags in Abwasser und Umwelt.
    • Verbesserung der korrossionschemischen Eigenschaften des Wassers.
  • Das Einsparpotential für den Kunden wird vom TZW auf mindestens 50 ct/m³ abgeschätzt. Individuell können die Einsparungen auch bis zu 1 €/m³ betragen.
  • Sofern Kunden eigene dezentrale Wasserenthärtungsanlagen betreiben, bietet eine zentrale Enthärtung durch den Wasserversorger ein Einsparpotential von >1,6 €/m³ sowie ebenfalls ökologische Vorteile. Darüber hinaus ist der Betrieb „ungewarteter“ Kundenanlagen aus hygienischer Sicht kritisch zu sehen.

Optionen zur Härtereduzierung

Mischen von weichem und hartem Wasser

  • Grundsätzlich kann eine Härteverringerung durch kontrolliertes Zumischen von weicherem Trinkwasser erreicht werden. In der Regel ist eine anschließende Nachbehandlung und Stabilisierung des Mischwassers erforderlich, um korrosionschemische Probleme zu vermeiden.
  • Diese Option besteht für Büdingen nur theoretisch. Aufgrund der Entfernungen und der Topografie ließen sich die harten und weichen Wässer nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand an einem zentralen Punkt zusammenführen und von dort wieder in die Stadtteile verteilen.
  • Zudem wäre ein Mischungsverhältnis von ungefähr 1:1 erforderlich, welches aufgrund des Dargebots nicht darstellbar ist.

Verfahrenstechnische Enthärtung

  • Eine weitere Möglichkeit zur Verringerung der Wasserhärte stellt die verfahrenstechnische Aufbereitung dar. Hier stehen verschiedene praxiserprobte Verfahren zur Verfügung, deren Einsatzbereich sich nach den spezifischen Rahmenbedingungen richtet:
    • Fällungsverfahren (Schnellentcarbonisierung)
    • Ionenaustauschverfahren (CARIX-Verfahren)
    • Membranverfahren / Umkehrosmose
  • In der Praxis wird mit diesen Verfahren der Härtegrad in der Regel auf 8°dH reduziert.

Mögliches Verfahren für Büdingen

  • Aufgrund der individuellen Rahmenbedingungen kommt laut der TZW-Studie für Büdingen nur das Membranverfahren (Umkehrosmose) in Frage.
  • Die Vorteile dieses Verfahrens bestehen u.a. in:
    • kompakte Bauweise,
    • vergleichsweise geringe Investitionskosten,
    • geringer Betriebs¬aufwand (weitgehende Automatisierung und Störungsunanfälligkeit),
    • variable Betriebsweise.
  • Nachteil des Verfahrens ist die Notwendigkeit von zusätzlichem Rohwasser (ca. 12-15% bezogen auf die aufbereitete Trinkwassermenge), das für das Verfahren benötigt wird (110 Tm³/a).
  • Diese Wassermenge fällt als Nebenprodukt als Konzentrat ab, welches schließlich in einen Vorfluter (Bach, Fluss) eingeleitet oder der Kanalisation / Kläranlage zugeführt werden muss. Hierfür ist ggf. Leitungsbau erforderlich.
  • Dieses aufkonzentrierte Wasser ist nicht umweltschädlich, jedoch stark kalkabscheidend.
  • Für eine Einleitung in einen Vorfluter ist eine entsprechende wasserrechtliche Genehmigung erforderlich, für die Einleitung in die Kanalisation fallen Abwassergebühren an. Der Entsorgungsweg für das Konzentrat wurde noch nicht final festgelegt.

Standortwahl und Auslegung der Anlagen

  • Aufgrund der dezentralen Wassergewinnung in Büdingen sind insgesamt 5 Anlagen erforderlich. Die Standorte wären in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Gewinnungsanlagen bzw. an bereits vorhandenen zentralen Punkten:
    • Diebach (Brunnen Diebach I+II)
    • Büches (Brunnen Büches)
    • Calbach/Eckartshausen (Brunnen Krebsbachtal)
    • Düdelsheim (Brunnen Düdelsheim)
    • Büdingen, Wasserwerk Thiergartenstraße (Brunnen Lorbach)

Investitions- und Betriebskosten

  • Die Investitionskosten für 5 Enthärtungsanlagen, Gebäude, erforderlichen Leitungsbau und Baunebenkosten werden auf rd. 4 Mio € geschätzt.
  • Die jährlichen Kosten, bestehend aus Abschreibung und Betriebskosten, belaufen sich voraussichtlich auf rd. 500 T€/a.
  • Sofern das Konzentrat nicht in einen Vorfluter eingeleitet werden kann, sondern der Kanalisation / Kläranlage zugeführt werden muss, belaufen sich diese Entsorgungskosten auf zusätzlich rd. 350 T€/a.

Auswirkungen auf die Wassergebühr 

  • Je nach Entsorgungsweg für das Konzentrat ergeben sich laut Kostenannahme jährliche Kosten von rd. 500 T€/a bis 850 T€.
  • Umgelegt auf eine Trinkwasserabgabe von rd. 1 Mio m³/a ergäbe sich eine Erhöhung der Trinkwassergebühr von rd. 0,50 €/m³ bis 0,85 €/m³.
  • Diese Kosten wären von allen Büdinger Verbrauchern zu tragen.

Zusatzwasserbedarf für verfahrenstechnische Enthärtung 

  • Beim Membranverfahren werden 12-15% zusätzliches Wasser benötigt, das anschließend als Konzentrat / Abwasser anfällt. Dieses Wasser muss zur Verfügung stehen.
  • Die Verfügbarkeit ergibt sich aus den genehmigten Wasserrechten, dem Trinkwasserbedarf und den tatsächlich technisch möglichen Fördermengen.
  • Für die betroffenen Versorgungsbereiche bestehen „theoretische Reserven“ von rd. 280.000 m³ gegenüber dem Wasserrecht (entspricht rd. 19%).
  • Tatsächlich steht jedoch weniger Wasser zur Verfügung.
  • Aufgrund tendenziell sinkender Grundwasserspiegel infolge unzureichender Grundwasserneubildung und trockener/heißer Sommer sowie Brunnenalterung ist zukünftig von geringeren „Reserven“ auszugehen.
  • Eine zentrale Enthärtung würde diese Reserven nahezu aufbrauchen und könnte in Zukunft zu ernsthaften Problemen in der Wasserversorgung führen.
  • Ob zusätzliche Ressourcen erschlossen werden können oder der Wasserverbrauch dauerhaft und signifikant gesenkt werden kann, ist fraglich.

Vor- und Nachteile

Zusammenfassung / Fazit

  • Eine verfahrenstechnische Härteverringerung für das Büdinger Trinkwasser wäre technisch grundsätzlich realisierbar. Eine Härteverringerung durch Mischung mit weichem Wasser ist aufgrund der Rahmenbedingungen nicht möglich.
  • Für Kunden, die bisher mit hartem Wasser beliefert werden, würden sich durch eine Enthärtung Vorteile hinsichtlich des Komforts sowie finanzielle Einsparpotentiale ergeben.
  • Auch aus Umwelt¬gesichts¬punkten und für eine Optimierung der Wasserversorgung bringt eine zentrale Enthärtung Vorteile.
  • Jedoch würden die erforderlichen technischen Maßnahmen zu einer nicht unerheblichen Erhöhung der Wassergebühr führen, die von allen Büdinger Verbrauchern zu tragen wäre.
  • Kritisch zu bewerten ist der für die Enthärtung notwendige zusätzliche Rohwasserbedarf von >100 Tm³/Jahr. Heiße Sommer und trockene Winter, wie zuletzt 2018/2019 lassen bereits heute Grenzen des gewinnbaren Wasserdargebots erkennen.
  • Aus der Perspektive einer sicheren Wasserversorgung ist der erforderliche Zusatzwasserbedarf zurzeit nicht darstellbar bzw. würde zu einer nicht zu verantwortenden Verknappung der Trinkwasserreserven führen.